Freitag, 29. September 2017

Welchen Wert haben eigentlich Hobbys und Interessen?

Dieser Artikel ist dem Ansatz einer Diskussion mit meinem Vater, die sich kurz entspann, als wir am vergangenen Sonntag auf meinen Zug warteten, geschuldet. Und wegen der Wichtigkeit des Themas poste ich es parallel auf Steemit. Kommentare hier wie da sind ausdrücklich erwünscht.

Ich will ja immer mal gern wissen, was meine Mutter und er (oder vor allem er) sich in den 1990er- und 2000er-Jahren dabei gedacht haben, mir erst die Ausbildung zum Fachinformatiker, dann die Tätigkeit in dem Beruf und später das Physikstudium bzw. die Fortsetzung desselben nach bestandenem Vordiplom (ihr erinnert Euch, daß ich da Ehrenrunden gedreht habe?) ausreden zu wollen.

Der knappen Art, wie mein Vater die Diskussion abbügelte, nach zu urteilen, hat er sich vielleicht gar nichts gedacht. Auf jeden Fall nicht soviel wie ich danach darüber gegrübelt habe.

Gleichermaßen hat das in mir einen gewissen Gedankenprozeß in Gang gesetzt. Ich habe mich erinnert, wie ich Hobbys ausgeführt und wann und wieso ich sie für mich auslaufen habe lassen. Ein aktueller Auslöser ist außerdem meine Situation beim Technischen Hilfswerk. :/ Diese Sache, daß man sich einfach immer selbst mitnimmt, egal, wo man hingeht, welche Leute man trifft.

Und so ist die eigentliche Frage: warum hast Du diese Hobbys und Interessen verfolgt und zu welchem Zweck? Hat das, was sich daraus ergeben hat, noch mit dem zu tun, was Du angestrebt hast?

Ich bin ein wißbegieriger Mensch. Ich möchte behaupten, daß ich für's Lernen lebe. Nicht so sehr für die Ausführung. (Stehen Schwierigkeiten im exekutiven Bereich eigentlich in den Diagnosekriterien für Asperger-Autismus?)

Beispiele gefällig? Da hätten wir:
- die oben erwähnte Ausbildung
- die Amateurfunkprüfung
- das Physikstudium
- die Ausbildung zum Rettungsdiensthelfer

Und das waren nur die Sachen, die mit einer Prüfung abschlossen. Bei letzterer hab ich ja schon vor, während und nachher herumgejammert, daß ich mir Sorgen mache, es nicht zu bewältigen. Tatsächlich hat es da schon den einen oder anderen Fall gegeben, wo ich den Leuten einfach zu langsam war.

Aber ganz vorn dabei, weil zeitlich am wenigsten zurückliegend, ist natürlich:

- die Ausbildung und Tätigkeit beim Technischen Hilfswerk,

wo ich das Gefühl habe, unbrauchbarer zwischen den Stühlen zu hängen als irgendwo sonst vorher. Jetzt sind nach einem Jahr unaufgeklärter Paranoia endlich meine Namensschilder gekommen und angesichts dessen, daß Sätze wie "darfst Du auch mal mitspielen?" gefallen sind, möchte ich fast fragen: wozu eigentlich Namensschilder für mich? Warum hat man mich (und zwei andere Personen, die wie Klötze an der Gruppe hängen, ohne funktional etwas beizutragen) nicht einfach rausgeschmissen, anstatt uns in eine Untergruppierung auszugliedern, wo wir uns gegenseitig zerfleischen dürfen, aber uns selbst nicht so führen können, daß etwas sinnvolles herauskommt? Oder anders gefragt: ist das die Realität, die ich anerkennen muß, daß meine kognitiven Fähigkeiten so minderwertig eingeschätzt werden, daß der Wille zu lernen in die Sackgasse führt? Habe ich meine eigenen Grenzen zu lange ignoriert?

Ich kann die obige Liste übrigens noch ein wenig fortsetzen. Ich habe ja auch beim Kochen und Nähen gemerkt, daß es mir an der exekutiven Umsetzbarkeit mangelt. Beim Klöppeln bin ich möglicherweise mutloser als nötig. Beim Steptanz ging irgendwann die Panik mit mir durch. Beim Volkstanz irgendwie auch. (Warum gehe ich da auch ohne Partner hin, ich Doofie ...? Niemand geht ohne Partner da hin!) Am Versuch, Charleston zu erlernen, bin ich wohl tatsächlich aus motorischen Gründen gescheitert (und nein: ich kriege das nicht in meinen Kopf, so weit weg vom Steptanz ist es ja eigentlich nicht).

Und so bleibt es eine Nachwirkung des oder der letzten Jahre, aber auch der Zeit in der Klinik, in der wir uns irgendwie alle gegenseitig unbeabsichtigt den Spiegel vorgehalten haben, daß ich mich frage: - warum habe ich diese Dinge angefangen?
- wie kam ich darauf, ich wäre damit etwas wert?
- wie kam ich darauf, ich könnte meine sozialen Schwierigkeiten umgehen oder abtrainieren?
- habe ich mich genug damit befaßt, was aus der bestandenen Eignungsprüfung an (möglicher) Verantwortung resultiert?
- warum mußte es dieser Weg sein?
- warum waren mir nicht andere Dinge wichtiger?

Auch, wenn es so scheinen mag: das ist kein Hilferuf. Ich kann durchaus noch das eine oder andere tagsüber machen. Ob es die richtige Reihenfolge ist, steht auf einem anderen Blatt, aber ich bin sowohl auf der Warteliste für einen Klinikplatz wie auch für der für einen Ersttermin bei der Sozialberatung.

Aber mußte es so weit kommen?
Was können und sollten andere - jüngere - daraus lernen? Was ihre Eltern?
Welche Träume und welche Verträumtheit darf man sich leisten?
Wie eng sind die Grenzen wirklich gesteckt?
Muß man sich auf die Grenzen einlassen, um ein wertvoll(er)es Mitglied der Gesellschaft zu sein?
Oder sollte man viel offensiver an den Grenzen arbeiten, sie hinausschieben?

Und zu guter Letzt: wie kann es sein, daß man diese Dinge überhaupt überdenken muß, weil andere Menschen eine andere Außensicht auf einen haben als man sich selbst in der Innensicht wahrnimmt?

Donnerstag, 28. September 2017

Leben in Zeitlupe

Es ist Donnerstag, die erste Woche ohne Klinik ist fast herum.
Ich funktioniere. Ein bißchen. Nicht in dem Umfang, der mir lieb und der dringend nötig wäre.

Am Sonntagabend hatte ich noch den Zettel mit dem Jobcenter-Termin für Montagvormittag in der Hand.
Am Montagmorgen kann ich ihn nicht mehr finden, bin aber überzeugt, er wäre gleich um acht Uhr, und so breche ich dann tatsächlich (ungeduscht natürlich ...) rechtzeitig auf und nehme den 7 Uhr-Bus nach Freising. Weil ich aber keine Fahrpläne lesen kann (haha), denke ich, es fährt nur der Schulbus und quetsche mich in diesen mit hinein. Nein, ganz so schlimm war es nicht, ich hatte einen Sitzplatz. Aber als wir aus Hallbergmoos raus sind, ist der Bus tatsächlich voll und einige Schüler stehen im Gang. (Es ist ein früherer Reisebus.)
Nach einer Weile erfahre ich beim Jobcenter, daß ich zu früh bin. Darf aber trotzdem eine Stunde vor dem eigentlichen Termin schon reinkommen und der Fallmanager und ich quatschen eine Viertelstunde über die Entwicklung. Ich frage, ob es Handlungsbedarf meinerseits gibt bzgl. Bewerbungen und er sagt: Nö, nicht solange Sie nicht 99%ig fit sind. (Er ist Bayer. Er sagt wörtlich natürlich nicht "nö". Aber Ihr wißt, was ich meine.)
Ich habe dann den Vormittag noch damit verbracht, beim Klinikum Freising, bei der Caritas und bei meinem Hautarzt vorbeizuschauen und entweder Termine zu vereinbaren oder zumindest um Terminvereinbarung zu bitten.

Und dann hätte ich eigentlich auch noch gleich beim Hausarzt vorbeigehen können wegen eines Rezeptes für Vitamin D.
Bin aber bis jetzt, Donnerstagvormittag, nicht dort gewesen.

Am Montagnachmittag kam dann noch eine Interessentin für das freie Zimmer. Ich war so halb vorbereitet. Die Küche hätte etwas aufgeräumter sein können. Insgesamt hatte ich einen guten Eindruck. Das Mädel hat sich aber bis jetzt nicht gemeldet, obwohl sie das bis Mittwoch tun wollte. Schade, es hätte vielleicht gut gepaßt. Mir wäre tendentiell eine Frau lieber.

Dienstag und Mittwoch habe ich vor allem in der Wohnung verbracht, nur gestern abend habe ich das Haus mal zum Einkaufen verlassen. Eigentlich hatte ich auch der Feuerwehr einen Besuch abstatten wollen. Ein Test der Wasserqualität hat laut Aushang ergeben, daß es Legionellen hat. Am 5. Oktober findet die nächste Prüfung statt. Bis dahin sollen wir beim Duschen oder bei anderen Benutzungen von Sprühstrahlköpfen (der normale Wasserhahn fällt da meines Erachtens auch drunter) erstmal 2 Minuten (!) das Wasser laufen lassen. Scheint mir eine sehr einfach gedachte "Lösung" zu sein. Dei der Argumentation könnte man ja auch einfach den Duschkopf oder Wasserhahn austauschen. Bei der Feuerwehr kenne ich zwei Sanitärtechniker, die hätte ich nach ihrer Meinung befragen können.
Aber ich bin ja nicht hingegangen. Habe mir gesagt, nächste Woche kann ich auch noch hin. :/
Und hab dann doch nicht mehr soviel gemacht abends, zwischen 20 Uhr und etwa halb zwei nachts. Der Drucker meinte jetzt doch, daß er keine blaue Tinte mehr hat, und möchte deshalb nicht mal mehr schwarz-weiß drucken. Ich konnte also nur die Schlaftagebuch-Vorlagen ausdrucken, nicht den BDI-Fragebogen. Aber ich hab ihn ja auf dem Rechner und könnte auch eine Exceltabelle dafür anlegen mit den Antworten ... Wenn ich nochmal in die Klinik gehen soll, kann ich diese Bögen ja auch weiter ausfüllen. Und das Schlaftagebuch wird gut für die Untersuchung Mitte Oktober sein.

Immerhin: mein Biorhythmus scheint noch zu funktionieren. Ich war trotzdem zwischen 7 und 7.30 Uhr heute morgen wach und fühle mich nicht müde.

Und jetzt nehme ich mir halt gerade erstmal Zeit für's Schreiben. Weil Protokolle der Zeit gerade extrem wichtig sind für mich.

Heute abend kommen wieder zwei Interessenten, man darf mir die Daumen drücken, daß ich besser werde im Präsentieren. Vielleicht sollte ich mir gleich noch einen Zettel mit den wichtigen Punkten machen.

Samstag, 23. September 2017

"Ihr, die Ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren"

Ungefähr 3-4 Wochen ist es her, daß ein anderen Patient und ich witzelten, über dem Eingang zu den Räumen "unserer" Tagesklinik könnte man ja diesen Spruch anbringen.

Wie heißt es so schön? "In jedem Scherz ist ein Körnchen Wahrheit enthalten"

Außer mir verließen diesen Block noch eine Handvoll andere Patienten die Klinik mit großer Verunsicherung über das "Danach" oder den Sinn ihres Aufenthaltes in der Klinik. Für keinen hat sich im Außenverhältnis mit ihrem lokalen Umfeld eine Änderung ergeben. Und unsere Lebensläufe glichen sich an den extremen Stellen doch mehr, als ich erwartet hätte. Ich bin weder die Einzige, die soziale Probleme in der Verwandtschaft hat (auch und gerade in der näheren), noch die Einzige, die als zu langsam, zu begriffsstutzig usw. wahrgenommen wird. Bei einigen anderen ist es u.U. schlimmer.

Autisten, die nicht leiden? Bleibt mir bitte weg mit solchen Aussagen! Noch vor einem halben Jahr hätte ich nichts dazu gesagt, aber jetzt weiß ich ja: das gibt es nicht. Jeder Autist fängt um die 40 an, mehr Probleme zu bekommen. Man könnte auch sagen: das Leiden fängt dann erst richtig an.

Wie soll man da nicht suizidal werden oder noch mehr Sozialphobie entwickeln?
Wie soll man nicht in einen ernsten Overload kommen, wenn der Kontakt mit den Ärzten sich nicht so gestaltet, daß man sich traut, ihnen zu vertrauen?

Ich geh jetzt schlafen. Und entweder heute nacht oder spätestens morgen früh denke ich darüber nach, ob ich der Familie noch gegenübertreten kann.            

Mittwoch, 14. Juni 2017

Selbstversuch Ramadan, Teil 1

Angeregt durch den von mir nicht so sachlichen (oder vielleicht zu sachlichen?) Umgang mit dem Thema "Wie gesund ist eigentlich Fasten im Ramadan" auf einer gewissen Internetseite ;), aber vor allem wegen der Tatsache, daß ich heute mal wieder ohne Frühstück aus dem Haus gegangen bin, ist aus dem heutigen Tag ein Fastentag geworden.

Was auch heißt, daß ich mich zwingen will, jetzt noch bis 21.30 Uhr auszuhalten.

Es ist jetzt zehn vor sechs, ich bin seit 7 Uhr wach, mein Magen knurrt.

Und in der Küche stehen und liegen noch Erdbeeren, die verarbeitet werden sollten.
Die Leute bei der Tafel hätten die nämlich weggeschmissen, was ich nicht ganz eingesehen habe. Von geschätzt 5-6 kg habe ich selbst nur knapp 500g Erdbeeren im Ganzen entsorgt.  Die meisten haben nur Druckstellen. Oder nicht mal das.

Dienstag, 7. März 2017

Wohin gehst Du, politische Einstellung, wohin? Teil 2

Ich werde mal kurz (?) ein bißchen sarkastisch und offensiv gegen mich selbst. Ich übertrage sozusagen den Ton, in dem ich manchmal mit mir selbst rede, auf diesen Blog und meine Selbstdarstellung in selbigem.

Neben der Einbildung, gewisse Mitglieder der Band Rammstein in politischen Einstellung zu verstehen, gibt es bei mir noch diese Sache mit der teilweise gemeinsamen Biographie als DDR-Kinder. Als jemand, der mit 11 die Wende erlebt hat (zumindest teilweise, denn der Herbst 1989 war auch der, den ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verbracht habe), also fast schon eine andere Generation ist, kann ich in Bezug auf die DDR zwar nicht so viel mitreden, aber der Stempel bleibt mir ja. Genauso wie das Gefühl, nicht zu passen.

Nun hat mir die Beschäftigung mit den Lebensgeschichten der Bandmitglieder auch die Möglichkeit gegeben, mir andere DDR-Dokumentationen anzuschauen. Richtig durch bin ich damit noch nicht, weil es einfach auch Zeit kostet, fast zweistündige Dokus anzuschauen. Aber in der einen oder anderen Aufzeichnung aus der Reihe "Die Kinder von Golzow" erkenne ich meine Eltern schon wieder und auch in den Dokumentationen über die Textilarbeiterinnen von Wittstock einige Verwandte. Leider ist ja aus der Generation meiner Großeltern nur noch eine Oma fit genug, um von der Zeit zu erzählen. Wenn ich ein bißchen schlauer gewesen wäre, hätte ich mich früher für das Thema interessiert und hätte auch das eine oder andere Erzählte aufgeschrieben. Aber ich war eben mehr damit beschäftigt, von dem Mißtrauen meiner Eltern in meine Fähigkeiten freizuschwimmen.

Und 1996 gab es halt auch kein kostenloses Informationsmedium wie Youtube.

Tatsache ist: meine Eltern hatten (so scheint es mir) keine Probleme mit der Umstellung. Das kann auch an dem erfolgreichen beruflichen Wechsel meines Vaters liegen, den er 1990 vollziehen konnte und der dann zu unserem Umzug führte. Keine mehrjährige Rumschubserei von Maßnahme zu Maßnahme. Kein überstürztes Umziehen in den Westen Mitte der Neunziger Jahre - zu dem Zeitpunkt waren wir schon 3 Jahre "drüben" und ich bereits auf dem Oberstufengymnasium. Stattdessen hat zu der Zeit meine politische Prägung stattgefunden.

Bedingt durch meine Sonderstellung in der Klasse habe ich mir in der Realschulzeit (1992-1994) auch ausländische Freundinnen gesucht, einiges an Freizeit im Asylantenheim verbracht, später bei einer türkischen Freundin im Ort und einer pakistanischen Freundin, bei der ich die türkische Küche und die indische Küche kennenlernte.
Ich rede gar nicht um den heißen Brei herum: die anders ausgeprägte Nähe zu diesen Leuten hat mir sehr gefallen, es war genau die richtige Kombination aus Nähe und Distanz für mich. Zwar machte mir ein 2 Jahre älterer Verwandter der türkischen Freundin eine Zeitlang schöne Augen, aber als er merkte, daß ich kein Interesse hatte, war das Thema auch wieder durch.

1995 begann dann die Besetzung des Versuchsfeldes, das ein Bauer in der übernächsten Gemeinde einem Chemiekonzern (Monsanto? Bayer?) zur Verfügung gestellt hatte für die Aussaat genmanipulierten Maises. Für drei Jahre (bis 1997), in denen unsere Gruppe das Feld (mit abnehmender Intensität, aber doch durchgängig) besetzt hat, allen Räumungsversuchen und Interventionen zum Trotz. In denen ich das eine oder andere Mal die Hausaufgaben auf dem Feld machte (oder gar nicht) und auch mal eine Stunde fehlte, weil am Morgen die Polizei aufkreuzte und uns festhielt, bis alle Personalien aufgenommen worden (außer meinen, aber das ist eine andere Geschichte, ich habe mich nicht entzogen, sondern wurde tatsächlich übersehen). Für mich war das der Einstieg in die Mitarbeit bei der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen.

Ich könnte jetzt in diesem Tempo weitererzählen, kürze aber mal der besseren Lesbarkeit willen ab. Ich bin in meiner Generation die Einzige, die sich parteipolitisch engagiert hat, die Einzige, die das Gymnasium (quasi) auf dem zweiten Weg betreten hat, die Einzige, die ausländische Freunde hatte, die Einzige, die kein Musikinstrument erlernt hat, die Einzige, die Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit gemacht hat. Okay, meinen Berliner Cousin hab ich in der Aufzählung vergessen. Was den sozialen Abstieg in der Familie angeht, hat er mich lange hinter sich gelassen. Wobei ich nicht weiß, was von dem, was seine Mutter uns erzählte, wahr ist. Meine Eltern wünschen jedenfalls keinen Kontakt zu ihm und weil das so ist, wünscht er auch keinen Kontakt zu mir mehr. Ätzend.

Ich hab dieses ganze Ding, das man als Spießigkeit bezeichnen könnte oder einfach als persönliche Stärke und Sicherheit, nicht mitbekommen. Und von diesem Blickwinkel her (und nur diesem!) kann ich mich mit Rammstein identifizieren. Ohne jetzt hinter jeder ihrer Aussagen zu stehen oder ein glühender Fan ihrer Musik zu sein. Für mich ist Rammstein der Weg, mich von Nationalismus o.ä. zu distanzieren. Ich mag die klassische Musik und Kunst trotzdem, singe gern mal Musicalsongs, aber ich mag auch die Farbe Schwarz, ohne mich wie ein typischer Goth zu kleiden.

Man bleibt halt irgendwie ein Wanderer zwischen den Welten, wenn man mal einer war ...

Montag, 6. März 2017

Wohin gehst Du, politische Einstellung, wohin?

Der Verweis auf den Rammstein-Titel "Mein Land" ist Absicht, hatte ich doch letztens eine Minidiskussion über diese Band mit einem ehemaligen Radiokollegen. So um 1996/1997 herum, als (so glaube ich, recherchiert habe ich nicht) der mediale Shitstorm über Rammstein den Anfang nahm oder genommen haben könnte, war die Band mir kein Begriff und ihre Musik für mich nicht zugreifbar.

Ich möchte dazu, was damals diskutiert wurde, auch eigentlich gar nicht Stellung nehmen.

Aber zu dem Vorwurf, Rammstein seien ja nationalistisch, muß ich doch mal was loswerden. Denn ich seh die Jungs nicht so. Und mich auch nicht. Ich hab - um auf "Mein Land" zurückzukommen - im Kopf eher ein Bild von einem Platzhirsch, der erstmal sagt, egal, wer Du bist oder wie okay Du bist, Du kommst hier nicht rein, wir nehmen Dich in unsere Gemeinschaft nicht auf, Du darfst hier nicht mitarbeiten usw. Also dieser Typ Mensch, den ich hier in den letzten vier Jahren zur Genüge kennengelernt habe. Vielleicht ist deren Dichte hier in Bayern höher, ich weiß es nicht.
Und ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, wie jemand so tun kann, als kenne er diesen Typ Mensch nicht.

Resultierend aus diesen Erfahrungen, speziell denen mit dem Inhaber des kleinen Supermarktes im Ortsteil, frage ich mich aber gerade auch, wie ich eigentlich eingeschätzt werde. Als linke Schmarotzerin? Und ich frage mich, bin ich denn so links? Wie links bin ich eigentlich und was heißt das für meine Philosophie? Inwieweit sollte ich meine politische Einstellung schärfen?

Als neulich diese Amokfahrt in Heidelberg war, war meine (dort lebende) Cousine kurz danach in der Nähe, hat die Absperrung gesehen, hatte aber keinen Schaden davon. Sie kommentierte es dann in der familieneigenen Whatsapp-Gruppe mit "heutzutage muß man ja immer damit rechnen". Das war dann der Moment, in dem ich mir wieder mal gern eine andere Familie gewünscht hätte.

Denn rückblickend muß ich auch sagen, daß ich wahrscheinlich die linkeste Socke in der Familie geworden oder geblieben bin. Niemand aus meiner Generation hat sich mal in einer Partei engagiert und bei den Grünen schon gar nicht. Politisches wird auf Familientreffen ausgeblendet, was ich ja eigentlich gut finde, weil ich mich dadurch nicht mehr bloßstellen und kleinmachen lassen muß. So im Sinne von "Du verstehst das nicht, das ist doch ganz anders". Also eigentlich das, was ich zu anderen Themen auch an den Kopf geworden kriege.

Aber vielleicht ist das einfach eine Reaktion, die ich selbst provoziere. Wenn mir der Geschäftsinhaber ansatzweise n Vortrag hält über die armen Deutschen und die viel zu gut behandelten Flüchtlinge/Terroristen. Ich hab da nichts entgegnet, weil das in der Schnelle nicht möglich war, etwas sinnvolles zu entgegnen. Nicht in einem Satz. Und sicher nicht mit dem Echo, das ich vertragen hätte.

Und dann liest man Äußerungen des Herrn Söder, München sei gar nicht multikulti* und es müßten noch mehr Ausländer abgeschoben werden**.
Und dann ist er wieder da, der Moment, in dem Du denkst, vielleicht ist es nicht genug, kein Problem mit Ausländern zu haben, fremde Sprachen und Küchen zu lieben, aus Diplomatie den Mund zu halten und keine Zeitung(en) zu lesen.

Ich bin ratlos.

* ich würde wirklich gern wissen, welchen Stadtteil er damit genau meint

** Daß Bayern im letzten Jahr die Grenze von 200.000 nicht mal ansatzweise erreicht hat und derzeit viele seit Jahren hier lebende Ausländer gehen müssen, ist bekannt, oder?

Donnerstag, 2. März 2017

Lebenszeichen

Lange her, der letzte Eintrag hier. War nicht so geplant oder sonstwas, ich hatte keine Lust auf Bloggen. Kann auch daran gelegen haben, daß ich mich überreden habe lassen, einen Youtube-Kanal aufzumachen.
Und seitdem landeten die mehr oder weniger täglichen Berichte dort.

Wegen Frau Maja und diesem Beitrag schreib ich jetzt aber doch mal wieder was. Vielleicht auch mehr als einen Beitrag.

Was ist seit dem 30. Oktober passiert?
- die erwartete Kündigung (auf die ich mit Erleichterung zurückblicke)
- der Versuch, einen Nebenjob in einem völlig anderen Tätigkeitsfeld zu ergattern (klappte so lange, bis $Arbeitgeber sich entschloß, mir meinen ALG2-Bezug um die Ohren zu hauen und gleichzeitig eine gewisse politische Meinung zu indoktrinieren)
- viel unmotiviertes Daheimsitzen
- viele Abholungen für Foodsharing in München, nachdem ich mich dort auch akkreditiert habe durch eine weitere Einführungsabholung
- depressionsbedingte Verspätungen bei Abholungen, die mich doch fast die Zulassung gekostet hätten
- Erhalt der schriftlichen Kündigung meiner Wohnung
- ein "ich kann so nicht weiterleben" gegenüber dem Jobcenter führt dazu, daß man mich aus der normalen Vermittlung (die mit dem Job-Such-Zwang) ins sog. "Fallmanagement" (eine neue Abteilung für nicht gleich Vermittelbare) überstellt
- Jahresabschluß beim THW (300 Stunden in den acht Monaten seit der bestandenen Prüfung, wie auch immer ich das geschafft habe)
- Silvesterdienst für das Rote Kreuz auf dem Tollwood in München mit einem Ehrenamts- und zwei Nebenamtskollegen, sehr arbeitsreich, aber auch sehr interessant
- Aufenthalt im Epilepsie-Intensivzentrum des Klinikums Großhadern (6 Tage Langzeit-EEG, endlich - und ebenfalls endlich die Diagnose, daß es keine Epilepsie, sondern eine Schlafstörung ist)
- Amitriptylin (ja, ich nehme gerade ein trizyklisches Antidepressivum), die anfängliche Müdigkeit und Verschiebung des Tagesablaufs
- diverse Besuche in der psychiatrischen Poliklinik in der Münchner Nußbaumstraße (die Ärztin dort fühlt sich aber jetzt nicht mehr zuständig, was ich nur halb verstehe)
- Jahresabschluß beim Roten Kreuz, der eher ein Jahresauftakt ist, weil in den Januar verschoben: hier komme ich nicht ganz auf 300 Stunden, aber fast -> heftig, oder?
- Treffen mit der Mimengruppe des Roten Kreuzes im schneereichen Gebiet südlich von München

Irgendwann hat das Amitriptylin einige der Depressionssymptome aus meinem Leben getrieben - die Antriebslosigkeit leider nicht. So ganz will ich das alles immer noch nicht, gucke oft den ganzen Tag Videos, bis ich zwangsweise das Haus verlassen muß, weil ein Termin ruft. Dann gehe ich meist ungewaschen los. :(
Wollen allein reicht nicht.

Der Youtube-Kanal hätte ein Technik-Kanal werden können (oder nach Meinung eines gewissen Funkamateurs werden sollen), entwickelte sich aber zu einem mehr oder weniger Rede-Kanal mit Tagesberichten). Aus Rache (?) versieht irgendwer (ich habe den gewissen Funkamateur im Verdacht) dann jeden Beitrag mit einem Daumen nach unten. Und ich finde das sogar noch amüsant.
So ziemlich jeder Youtuber sagt am Ende oder irgendwo im Video "bitte abonniert mich und laßt n Daumen nach oben da". Ich sag das nicht, weil ich denke, entweder macht man das aus eigenem Antrieb oder auch nicht. Und ich wollte ja nicht die Kopie von irgendwas werden. Deshalb halt kein Technik-Kanal, solange mich (die Entwicklung in der Computer-)Technik aufgrund meiner Situation kaltläßt.
Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr Möglichkeiten, zu sehen, wer welches Video wie lange angeschaut hat usw. Also so n bißchen wie Facebook. Das würde den Austausch erleichtern.

Das Jobcenter hat versucht, mir einen Strick aus der Idee des Nebenjob-Arbeitgebers zu drehen, das einzige Gehalt in zwei Teilen zu zahlen. Ich hab den Januar und Februar trotz der finanziellen Schieflage überlebt und dank Foodsharing mehr Lebensmittel daheim als ich brauche oder mit meiner geringen Kraft für den Alltag verbrauchen kann. Das ist ein seltsames Gefühl, insbesondere dann, wenn man daran denkt, daß das, was Foodsharing in München und Umkreis an Kooperationen hat, nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wegen der rechtlich unsicheren Situation ruht fast in allen Städten die Aufnahme neuer Kooperationen.

Ich habe mir die Haare wachsen lassen und letzte Woche wieder auf die Hälfte abgeschnitten, so daß ich jetzt wieder einen 20er-Jahre-Bob habe. Das hat offenbar so gut geklappt, daß ich dazu sagen muß, daß ich beim Friseur war.

Ich schwanke zwischen Hierbleiben und Wegziehen. Wobei Wegziehen wohl erstmal "zurück zu den Eltern" hieße. Und das kann eigentlich nicht gut sein.