Samstag, 25. April 2015

Warum eigentlich so und warum nicht anders?

Seit ein paar Wochen geht mir ein Gedanke im Kopf herum, der mich nicht losläßt. Um ihn zu erklären, muß ich etwas ausholen.

Als ich im Teenageralter war (und auch noch ein paar Jahre später, so bis Mitte 20), bin ich ziemlich oft von meinem Vater und meiner väterlichen Oma auf meine undeutliche Sprache angesprochen worden. Immer und immer wieder. "Stell Dich mal vor den Spiegel und versuche dann mal, Dich richtig zu artikulieren." Natürlich habe ich mich nicht vor einen Spiegel gestellt und mir beim Reden zugeschaut. Ich hielt das für Zeitverschwendung, außerdem sah ich mich nicht gern im Spiegel. Ich finde mich auch heute nicht besonders ansehlich, gehe manchmal ohne Blick aufs Spiegelbild aus dem Haus, aber damals war es weitaus schlimmer.
Und ich hab dann einfach weiter so gesprochen, wie ich eben sprach, die Meinung anderer dazu war mir (auch mit Ende 20, zur Radiozeit) egal. Eine Logopädin hat noch einmal kurzzeitig Hand angelegt, konzentrierte sich aber in den Stunden mindestens zur Hälfte auf meine körperlichen Verspannungen, die mich ebensowenig interessierten. Ich übte auch daheim nicht.

Mitte November, als ich in der letzten Woche des Kurses zum Rettungsdiensthelfer steckte und versuchte, mir den Stoff in den Kopf zu pauken (was durch eine verschleppte Erkältung gar nicht mal so gut funktionierte), fiel mir bei Youtube eine Gesamtaufzeichnung einer Londoner Aufführung des Phantoms der Oper "in die Hände". (Den genauen Link finde ich inzwischen nicht mehr, hier ist eine Version mit koreanischen Untertiteln: https://www.youtube.com/watch?v=Er_E_xh90hQ) Und statt zu lernen, habe ich völlig hingerissen die zweieinhalbstündige Aufzeichnung geschaut.

Etwa einen Monat später war auf der Arbeit genug Leerlauf, um auch dort Videos zu schauen (was wir eigentlich nicht sollten, aber doch fast jeder tat), und da wurde meine Aufmerksamkeit dann irgendwie auf alte Videos von und über Starlight Express gelenkt - viele Reportagen sind vom Team des Theaters selbst auf einem eigenen Kanal archiviert worden, Zuschauer stellen Ausschnitte aus der Show ein oder Mitschnitte der Songs, manche Darsteller zeigen das Leben hinter den Kulissen ... Mitte/Ende Januar hatte ich dann gar kein anderes Thema mehr (und manches Video um die 10 Mal gesehen). Eigentlich ist das Interesse erst vor zwei Wochen halbwegs abgeebt, weil ich inzwischen keine neuen Videos mehr finde ...

Parallel dazu gingen mir auch die Songs nicht aus dem Kopf, sodaß ich mich gar nicht so selten dabei ertappte, wie ich auf dem Büroflur "Mein Spiel" (z.B. hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=JV8HZqnx4WM) sang. Seitdem ich mehr oder weniger den ganzen Tag zuhause bin, ist mein Schamempfinden sowieso herabgesetzt, ich singe, wenn mir danach ist, ggf. auch, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. Habe außerdem "Memory" aus Cats in einer bestimmten Version auswendig gelernt (dieses Lied singe ich noch am häufigsten) und finde mich - natürlich - gar nicht so schlecht.

Vor allem aber arbeite ich dadurch jetzt tatsächlich an meiner Aussprache ... und nehme manchmal etwas in den Alltag mit.

Tja, und dann die andere Sache. Die Verspannungen. Ich bin so weit, daß meine Ärztin vermutet, meine linke Schulter, die inzwischen fast dauerhaft schmerzt, könnte degenerativ verändert sein. Was als nächtlicher Schmerz nach Albträumen (?) irgendwann in den 2000er-Jahren anfing, geht jetzt immer öfter auch tagsüber nicht weg. (Die "normalen" Verspannungen empfand ich nie als schmerzhaft, auch heute nicht.)

Auch wegen der immer noch präsenten - und möglicherweise einfach mit den Verspannungen verknüpften - Problematik, daß ich tagsüber einfach in einen schlafähnlichen Zustand rutsche, frage ich mich nun eben auch, ob mein beruflicher Werdegang der richtige war. Und ob ich weiter reine Büroarbeit machen sollte.

Ich durfte als Kind nie das Ballett besuchen ("zu groß/zu schwer"), habe auch kein Instrument gelernt, weil ich zu beidem erst nach meiner jüngeren Schwester angemeldet wurde - beim Instrument kam auch hinzu, daß ich geistig wohl nicht weit genug war, um die Aufnahmeprüfung der Musikschule zu bestehen.

Auffallend gelenkig war ich trotzdem (jetzt bin ich es nicht mehr, wie mir vor ein paar Wochen schmerzlich bewußt wurde), aber Tanz oder Gesang waren als Hobbys nie ein Thema (bis ich 2004 mit dem Steptanz anfing). Zu meiner Abiturzeit 1997 probte der Chor der Schule einige Stücke aus Cats ein (oder vielleicht auch das ganze Musical?) und zeigte diese mit Kostümen bei einer extra Veranstaltung und ich weiß noch, daß ich damals gedacht habe: "diese Mitschüler können ganz wunderbar singen und ich überhaupt nicht".

Ich bin überhaupt erst über den Steptanz auf die Idee gekommen, doch noch mal einen Versuch mit Ballett zu wagen (es gab an der Darmstädter Uni einen Anfängerkurs, aber bald war mir die Diplomarbeit wichtiger, es gab auch terminliche Überschneidungen, denn der Kurs fand dienstags nachmittags um halb drei statt). Im Modern Dance-Kurs des Unisports wurde ich nicht genommen wegen der fehlenden Ballettvorkenntnisse. Ich hätte an einer Tanzschule einen Kurs besuchen können, aber das war mir zu teuer. Es hätte mir sicher gut getan ...

Ich merke, daß ich im bayrischen Volkstanz unterfordert bin. Ich kenne zufällig ein Pärchen, das etwas vor mir angefangen hat, ER war auf einem Tanzabend im späten November oder frühen Dezember mein Tanzpartner, kommt jetzt mit einer anderen Partnerin auch zu unseren Übungsabenden. Und da sehe ich dann, wie die zwei sich teilweise quälen. Letzten Donnerstag ergab es sich mal wieder, daß kein Mann für mich da war (wie auch, ich komme ja als einzige immer allein hin ;)). Normalerweise tanzt dann der Leiter des Volkstanzkreises mit mir, so daß ich die Frauenrolle tanze, wie es ja auch natürlich ist. Diesmal hatte er aber vielleicht keine Lust, aber seine nur etwa 1,60m große Frau schon, so daß ich den Männerpart übernahm, was nicht immer, aber den Großteil der Zeit ganz gut ging und mir Auftrieb gab. Gemessen an den Problemen, die andere hatten, haben wir zwei mit Kleinigkeiten gekämpft, etwa einem schwierigen Schritt, weniger mit den Figuren.

Ich habe nicht vergessen, daß meine Auftritte mit der Steptanzgruppe der Uni gar nicht gut gelaufen sind. Aber trotz all der Widersprüche denke ich doch, es hätte mir auch gut getan, mal ein bißchen tiefer ins Thema Musical einzusteigen. Wenn es damals, als ich um die Zwanzig war, einen Weg gegeben hätte. Jetzt bin ich ja in einem Alter, in dem man die aktive Karriere in diesem Bereich eher beendet.

Ich kann nicht umhin, zuzugeben, daß ich Starlight Express jetzt eher aus sportlicher Perspektive interessant finde (die Änderungen, die an der Show vorgenommen wurden, sind dagegen gar nicht so meins). Vermutlich wäre ich verrückt genug, auch mal vorzusprechen, wenn es nicht so aussichtslos wäre.