Dienstag, 7. März 2017

Wohin gehst Du, politische Einstellung, wohin? Teil 2

Ich werde mal kurz (?) ein bißchen sarkastisch und offensiv gegen mich selbst. Ich übertrage sozusagen den Ton, in dem ich manchmal mit mir selbst rede, auf diesen Blog und meine Selbstdarstellung in selbigem.

Neben der Einbildung, gewisse Mitglieder der Band Rammstein in politischen Einstellung zu verstehen, gibt es bei mir noch diese Sache mit der teilweise gemeinsamen Biographie als DDR-Kinder. Als jemand, der mit 11 die Wende erlebt hat (zumindest teilweise, denn der Herbst 1989 war auch der, den ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verbracht habe), also fast schon eine andere Generation ist, kann ich in Bezug auf die DDR zwar nicht so viel mitreden, aber der Stempel bleibt mir ja. Genauso wie das Gefühl, nicht zu passen.

Nun hat mir die Beschäftigung mit den Lebensgeschichten der Bandmitglieder auch die Möglichkeit gegeben, mir andere DDR-Dokumentationen anzuschauen. Richtig durch bin ich damit noch nicht, weil es einfach auch Zeit kostet, fast zweistündige Dokus anzuschauen. Aber in der einen oder anderen Aufzeichnung aus der Reihe "Die Kinder von Golzow" erkenne ich meine Eltern schon wieder und auch in den Dokumentationen über die Textilarbeiterinnen von Wittstock einige Verwandte. Leider ist ja aus der Generation meiner Großeltern nur noch eine Oma fit genug, um von der Zeit zu erzählen. Wenn ich ein bißchen schlauer gewesen wäre, hätte ich mich früher für das Thema interessiert und hätte auch das eine oder andere Erzählte aufgeschrieben. Aber ich war eben mehr damit beschäftigt, von dem Mißtrauen meiner Eltern in meine Fähigkeiten freizuschwimmen.

Und 1996 gab es halt auch kein kostenloses Informationsmedium wie Youtube.

Tatsache ist: meine Eltern hatten (so scheint es mir) keine Probleme mit der Umstellung. Das kann auch an dem erfolgreichen beruflichen Wechsel meines Vaters liegen, den er 1990 vollziehen konnte und der dann zu unserem Umzug führte. Keine mehrjährige Rumschubserei von Maßnahme zu Maßnahme. Kein überstürztes Umziehen in den Westen Mitte der Neunziger Jahre - zu dem Zeitpunkt waren wir schon 3 Jahre "drüben" und ich bereits auf dem Oberstufengymnasium. Stattdessen hat zu der Zeit meine politische Prägung stattgefunden.

Bedingt durch meine Sonderstellung in der Klasse habe ich mir in der Realschulzeit (1992-1994) auch ausländische Freundinnen gesucht, einiges an Freizeit im Asylantenheim verbracht, später bei einer türkischen Freundin im Ort und einer pakistanischen Freundin, bei der ich die türkische Küche und die indische Küche kennenlernte.
Ich rede gar nicht um den heißen Brei herum: die anders ausgeprägte Nähe zu diesen Leuten hat mir sehr gefallen, es war genau die richtige Kombination aus Nähe und Distanz für mich. Zwar machte mir ein 2 Jahre älterer Verwandter der türkischen Freundin eine Zeitlang schöne Augen, aber als er merkte, daß ich kein Interesse hatte, war das Thema auch wieder durch.

1995 begann dann die Besetzung des Versuchsfeldes, das ein Bauer in der übernächsten Gemeinde einem Chemiekonzern (Monsanto? Bayer?) zur Verfügung gestellt hatte für die Aussaat genmanipulierten Maises. Für drei Jahre (bis 1997), in denen unsere Gruppe das Feld (mit abnehmender Intensität, aber doch durchgängig) besetzt hat, allen Räumungsversuchen und Interventionen zum Trotz. In denen ich das eine oder andere Mal die Hausaufgaben auf dem Feld machte (oder gar nicht) und auch mal eine Stunde fehlte, weil am Morgen die Polizei aufkreuzte und uns festhielt, bis alle Personalien aufgenommen worden (außer meinen, aber das ist eine andere Geschichte, ich habe mich nicht entzogen, sondern wurde tatsächlich übersehen). Für mich war das der Einstieg in die Mitarbeit bei der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen.

Ich könnte jetzt in diesem Tempo weitererzählen, kürze aber mal der besseren Lesbarkeit willen ab. Ich bin in meiner Generation die Einzige, die sich parteipolitisch engagiert hat, die Einzige, die das Gymnasium (quasi) auf dem zweiten Weg betreten hat, die Einzige, die ausländische Freunde hatte, die Einzige, die kein Musikinstrument erlernt hat, die Einzige, die Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit gemacht hat. Okay, meinen Berliner Cousin hab ich in der Aufzählung vergessen. Was den sozialen Abstieg in der Familie angeht, hat er mich lange hinter sich gelassen. Wobei ich nicht weiß, was von dem, was seine Mutter uns erzählte, wahr ist. Meine Eltern wünschen jedenfalls keinen Kontakt zu ihm und weil das so ist, wünscht er auch keinen Kontakt zu mir mehr. Ätzend.

Ich hab dieses ganze Ding, das man als Spießigkeit bezeichnen könnte oder einfach als persönliche Stärke und Sicherheit, nicht mitbekommen. Und von diesem Blickwinkel her (und nur diesem!) kann ich mich mit Rammstein identifizieren. Ohne jetzt hinter jeder ihrer Aussagen zu stehen oder ein glühender Fan ihrer Musik zu sein. Für mich ist Rammstein der Weg, mich von Nationalismus o.ä. zu distanzieren. Ich mag die klassische Musik und Kunst trotzdem, singe gern mal Musicalsongs, aber ich mag auch die Farbe Schwarz, ohne mich wie ein typischer Goth zu kleiden.

Man bleibt halt irgendwie ein Wanderer zwischen den Welten, wenn man mal einer war ...

Montag, 6. März 2017

Wohin gehst Du, politische Einstellung, wohin?

Der Verweis auf den Rammstein-Titel "Mein Land" ist Absicht, hatte ich doch letztens eine Minidiskussion über diese Band mit einem ehemaligen Radiokollegen. So um 1996/1997 herum, als (so glaube ich, recherchiert habe ich nicht) der mediale Shitstorm über Rammstein den Anfang nahm oder genommen haben könnte, war die Band mir kein Begriff und ihre Musik für mich nicht zugreifbar.

Ich möchte dazu, was damals diskutiert wurde, auch eigentlich gar nicht Stellung nehmen.

Aber zu dem Vorwurf, Rammstein seien ja nationalistisch, muß ich doch mal was loswerden. Denn ich seh die Jungs nicht so. Und mich auch nicht. Ich hab - um auf "Mein Land" zurückzukommen - im Kopf eher ein Bild von einem Platzhirsch, der erstmal sagt, egal, wer Du bist oder wie okay Du bist, Du kommst hier nicht rein, wir nehmen Dich in unsere Gemeinschaft nicht auf, Du darfst hier nicht mitarbeiten usw. Also dieser Typ Mensch, den ich hier in den letzten vier Jahren zur Genüge kennengelernt habe. Vielleicht ist deren Dichte hier in Bayern höher, ich weiß es nicht.
Und ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, wie jemand so tun kann, als kenne er diesen Typ Mensch nicht.

Resultierend aus diesen Erfahrungen, speziell denen mit dem Inhaber des kleinen Supermarktes im Ortsteil, frage ich mich aber gerade auch, wie ich eigentlich eingeschätzt werde. Als linke Schmarotzerin? Und ich frage mich, bin ich denn so links? Wie links bin ich eigentlich und was heißt das für meine Philosophie? Inwieweit sollte ich meine politische Einstellung schärfen?

Als neulich diese Amokfahrt in Heidelberg war, war meine (dort lebende) Cousine kurz danach in der Nähe, hat die Absperrung gesehen, hatte aber keinen Schaden davon. Sie kommentierte es dann in der familieneigenen Whatsapp-Gruppe mit "heutzutage muß man ja immer damit rechnen". Das war dann der Moment, in dem ich mir wieder mal gern eine andere Familie gewünscht hätte.

Denn rückblickend muß ich auch sagen, daß ich wahrscheinlich die linkeste Socke in der Familie geworden oder geblieben bin. Niemand aus meiner Generation hat sich mal in einer Partei engagiert und bei den Grünen schon gar nicht. Politisches wird auf Familientreffen ausgeblendet, was ich ja eigentlich gut finde, weil ich mich dadurch nicht mehr bloßstellen und kleinmachen lassen muß. So im Sinne von "Du verstehst das nicht, das ist doch ganz anders". Also eigentlich das, was ich zu anderen Themen auch an den Kopf geworden kriege.

Aber vielleicht ist das einfach eine Reaktion, die ich selbst provoziere. Wenn mir der Geschäftsinhaber ansatzweise n Vortrag hält über die armen Deutschen und die viel zu gut behandelten Flüchtlinge/Terroristen. Ich hab da nichts entgegnet, weil das in der Schnelle nicht möglich war, etwas sinnvolles zu entgegnen. Nicht in einem Satz. Und sicher nicht mit dem Echo, das ich vertragen hätte.

Und dann liest man Äußerungen des Herrn Söder, München sei gar nicht multikulti* und es müßten noch mehr Ausländer abgeschoben werden**.
Und dann ist er wieder da, der Moment, in dem Du denkst, vielleicht ist es nicht genug, kein Problem mit Ausländern zu haben, fremde Sprachen und Küchen zu lieben, aus Diplomatie den Mund zu halten und keine Zeitung(en) zu lesen.

Ich bin ratlos.

* ich würde wirklich gern wissen, welchen Stadtteil er damit genau meint

** Daß Bayern im letzten Jahr die Grenze von 200.000 nicht mal ansatzweise erreicht hat und derzeit viele seit Jahren hier lebende Ausländer gehen müssen, ist bekannt, oder?

Donnerstag, 2. März 2017

Lebenszeichen

Lange her, der letzte Eintrag hier. War nicht so geplant oder sonstwas, ich hatte keine Lust auf Bloggen. Kann auch daran gelegen haben, daß ich mich überreden habe lassen, einen Youtube-Kanal aufzumachen.
Und seitdem landeten die mehr oder weniger täglichen Berichte dort.

Wegen Frau Maja und diesem Beitrag schreib ich jetzt aber doch mal wieder was. Vielleicht auch mehr als einen Beitrag.

Was ist seit dem 30. Oktober passiert?
- die erwartete Kündigung (auf die ich mit Erleichterung zurückblicke)
- der Versuch, einen Nebenjob in einem völlig anderen Tätigkeitsfeld zu ergattern (klappte so lange, bis $Arbeitgeber sich entschloß, mir meinen ALG2-Bezug um die Ohren zu hauen und gleichzeitig eine gewisse politische Meinung zu indoktrinieren)
- viel unmotiviertes Daheimsitzen
- viele Abholungen für Foodsharing in München, nachdem ich mich dort auch akkreditiert habe durch eine weitere Einführungsabholung
- depressionsbedingte Verspätungen bei Abholungen, die mich doch fast die Zulassung gekostet hätten
- Erhalt der schriftlichen Kündigung meiner Wohnung
- ein "ich kann so nicht weiterleben" gegenüber dem Jobcenter führt dazu, daß man mich aus der normalen Vermittlung (die mit dem Job-Such-Zwang) ins sog. "Fallmanagement" (eine neue Abteilung für nicht gleich Vermittelbare) überstellt
- Jahresabschluß beim THW (300 Stunden in den acht Monaten seit der bestandenen Prüfung, wie auch immer ich das geschafft habe)
- Silvesterdienst für das Rote Kreuz auf dem Tollwood in München mit einem Ehrenamts- und zwei Nebenamtskollegen, sehr arbeitsreich, aber auch sehr interessant
- Aufenthalt im Epilepsie-Intensivzentrum des Klinikums Großhadern (6 Tage Langzeit-EEG, endlich - und ebenfalls endlich die Diagnose, daß es keine Epilepsie, sondern eine Schlafstörung ist)
- Amitriptylin (ja, ich nehme gerade ein trizyklisches Antidepressivum), die anfängliche Müdigkeit und Verschiebung des Tagesablaufs
- diverse Besuche in der psychiatrischen Poliklinik in der Münchner Nußbaumstraße (die Ärztin dort fühlt sich aber jetzt nicht mehr zuständig, was ich nur halb verstehe)
- Jahresabschluß beim Roten Kreuz, der eher ein Jahresauftakt ist, weil in den Januar verschoben: hier komme ich nicht ganz auf 300 Stunden, aber fast -> heftig, oder?
- Treffen mit der Mimengruppe des Roten Kreuzes im schneereichen Gebiet südlich von München

Irgendwann hat das Amitriptylin einige der Depressionssymptome aus meinem Leben getrieben - die Antriebslosigkeit leider nicht. So ganz will ich das alles immer noch nicht, gucke oft den ganzen Tag Videos, bis ich zwangsweise das Haus verlassen muß, weil ein Termin ruft. Dann gehe ich meist ungewaschen los. :(
Wollen allein reicht nicht.

Der Youtube-Kanal hätte ein Technik-Kanal werden können (oder nach Meinung eines gewissen Funkamateurs werden sollen), entwickelte sich aber zu einem mehr oder weniger Rede-Kanal mit Tagesberichten). Aus Rache (?) versieht irgendwer (ich habe den gewissen Funkamateur im Verdacht) dann jeden Beitrag mit einem Daumen nach unten. Und ich finde das sogar noch amüsant.
So ziemlich jeder Youtuber sagt am Ende oder irgendwo im Video "bitte abonniert mich und laßt n Daumen nach oben da". Ich sag das nicht, weil ich denke, entweder macht man das aus eigenem Antrieb oder auch nicht. Und ich wollte ja nicht die Kopie von irgendwas werden. Deshalb halt kein Technik-Kanal, solange mich (die Entwicklung in der Computer-)Technik aufgrund meiner Situation kaltläßt.
Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr Möglichkeiten, zu sehen, wer welches Video wie lange angeschaut hat usw. Also so n bißchen wie Facebook. Das würde den Austausch erleichtern.

Das Jobcenter hat versucht, mir einen Strick aus der Idee des Nebenjob-Arbeitgebers zu drehen, das einzige Gehalt in zwei Teilen zu zahlen. Ich hab den Januar und Februar trotz der finanziellen Schieflage überlebt und dank Foodsharing mehr Lebensmittel daheim als ich brauche oder mit meiner geringen Kraft für den Alltag verbrauchen kann. Das ist ein seltsames Gefühl, insbesondere dann, wenn man daran denkt, daß das, was Foodsharing in München und Umkreis an Kooperationen hat, nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wegen der rechtlich unsicheren Situation ruht fast in allen Städten die Aufnahme neuer Kooperationen.

Ich habe mir die Haare wachsen lassen und letzte Woche wieder auf die Hälfte abgeschnitten, so daß ich jetzt wieder einen 20er-Jahre-Bob habe. Das hat offenbar so gut geklappt, daß ich dazu sagen muß, daß ich beim Friseur war.

Ich schwanke zwischen Hierbleiben und Wegziehen. Wobei Wegziehen wohl erstmal "zurück zu den Eltern" hieße. Und das kann eigentlich nicht gut sein.